Tag 4: Buchenberg – Weitnau / am Dienstag, 7.9.10

Aufbrechen

Im Wort Auf-brechen steckt etwas Gewalttätiges. Wer auf-bricht, muss etwas Vorhandenes zerstören, zerbrechen, muss mit etwas brechen, sich trennen von Vertrautem … sich losreißen und aus Gewohntem und Alltäglichen heraustreten, ausbrechen ... Aus welchen Gründen auch immer, aufbrechen gelingt nur, wenn man bereit ist zu brechen und daher alles aus dem Aufbruch selber, aus dem Neuen und Offenen erwarten muss. Das Leben braucht diese Spiele von Verlieren, Loslassen und finden, um lebendig zu bleiben. Und der Glaube braucht sie auch.

In der Nacht hatte es stark geregnet, doch an der Bushaltestelle ZUM ließ der Regen nach. Erste Station war die Kirche in Buchenberg, die dem Patron des Allgäus, dem heiligen Magnus geweiht ist. Der sog. Zopf- oder Louise-Seize-Stil, eine Stilart des aufkommenden Klassizismus, der das Barock auflöste, gefiel. Auf dem Weg nach Rechtis hingen schwarze Wolken zum Greifen nah über uns, doch es fiel kein Wasser mehr heraus. Die St. Ulrichs-Kirche kann auf eine mehr als 770-jährige Tradition stolz sein. Im Deckenfresko ist die Schlacht auf dem Lechfeld 955 n. Chr. dargestellt. Der nachdenkliche Text vom „Aufbrechen“ sollte uns auf dem Weg zum Sonneckgrat begleiten, zuerst auf der Straße, dann steil bergauf. Auf dem normalerweise herrlichen Aussichtsplatz unter den Birken sind die Namen der Berge auf einer Tafel verzeichnet, doch die Gipfel verbargen sich leider hinter dunklen Wolken. So nutzten wir die Tafel als Tisch fürs Käsebüffet: Bester Allgäuer Käse und Schinken sowie Wurst und Bauernbrot aus Melsungen hatten gut Platz darauf und sahen zum „Anbeißen“ aus. Alle suchten sich ein Plätzchen unter den Bäumen und griffen kräftig zu. Leider begann es dabei wieder zu regnen, doch im Wald oberhalb des Grates merkte man nicht mehr so viel davon. Wir stellten uns die Allgäuer Berge einfach in unserer Phantasie vor, überwanden den höchsten Punkt des Grates mit über tausend Metern und gelangten zur zweiten Sonneckhütte. Von hier aus führt der Weg links hinunter nach Weitnau. Schon kurz nach 16 Uhr saßen wir in gemütlicher Runde um den Kachelofen des Gasthofs Krone, die „Weißbierfraktion“ stillte ihren Durst mit einem kühlen Bier, während sich die anderen mit Kaffee und Kuchen stärkten, bevor wir die Zimmer aufsuchten. Die „Einzelzimmer“ und ein „Doppelzimmer“ waren im Haus Hohenegg untergebracht. Um 18 Uhr erwartete uns Pfarrer Koppitz in der Kirche St. Pelagius direkt neben unserem Quartier. In der weiträumigen, farbenfrohen Kirchenhalle, in Himmelblau und goldenem Rotbraun gehalten, brachte er uns die Elemente der Neugotik näher. Diese wunderschöne neugotische Kirche von 1860 gehört zu den wenigen Kirchenbauten des Historismus, die unverändert erhalten geblieben sind. Unter den Apostelbildern im rechten Seitenschiff fanden wir natürlich auch Jakobus den Älteren. Die schwäbischen Spezialitäten des Abendessens, das wir alle im Gasthof Krone einnahmen, mundeten und die Gespräche erinnerten uns mehr und mehr an die Pilgergespräche, die wir in den Herbergen Frankreichs und Spaniens führen konnten. Die Gruppe war zusammengewachsen.

 

Bericht über eine Pilgerwoche
auf dem Münchner Jakobsweg

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